Weihnachten
Das hier gezeigte Blatt "Der Weihnachtsmarkt" stammt von dem Maler und Grafiker Erich Büttner (1889-1936). In einer Diagonale von links unten nach rechts oben zieht sich eine Doppelreihe von Verkaufsständen bis zu einem runden Platz, an dem weitere "Buden" zu erkennen sind. Rechts neben den Ständen befindet sich offenbar ein großer Weihnachtsbaumverkauf. Links und nach oben erstreckt sich ein Park.
Büttners Radierung lässt wenig Weihnachtsstimmung aufkommen, schon wegen der gewählten Vogelperspektive, die Distanz zu dem vorweihnachtlichen Treiben signalisiert. Weihnachtliche Accessoires lassen sich nicht erkennen, das Marktgeschehen liegt im Tageslicht unter dem nüchternen Blick des Betrachters - kein Platz für Heimeligkeit. Büttner fertigte die Radierung 1916 im dritten Winter des Ersten Weltkriegs an, es gab für ihn wohl keinen Grund zur Vorfreude. Seine Darstellungsweise reflektiert nicht nur die bedrückende Kriegssituation, sondern entspringt auch seiner künstlerischen Grundhaltung. Als Mitglied der Berliner Secession gehörte er zu jenen Vertretern einer modernen Kunstauffassung, die sich gegen den Mainstream des deutschen Kunstbetriebs stellte. Büttner entwickelte sich zu einem wichtigen Protagonisten des deutschen Expressionismus.
Werke von expressionistischen Künstler*innen sind in der Wredow-Kustsammlung nur selten zu finden. Das liegt vor allem daran, dass nach August Wredows Tod 1891 die intensive Sammeltätigkeit seiner letzten beiden Lebensjahrzehnte - hauptsächlich wohl aus finanziellen Gründen - nicht fortgesetzt wurde. Einige Neuerwerbungen wurden dennoch gemacht. Eine wichtige Quelle dafür waren die jährlich erscheinenden Grafikmappen des 1886 gegründeten Berliner Vereins für Original-Radierung, einer Gruppe von Künstler*innen, die sich den Erhalt der Radier-Kunst zum Ziel gesetzt hatten. Radierungen waren in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts zusehends "aus der Mode gekommen", weil sich schnellere, in hoher Auflage herzustellende und daher preiswertere Drucktechniken immer mehr durchsetzten. Noch zu Lebzeiten Wredows war offenbar ein Abonnement für die Mappen des Vereins abgeschlossen worden, das auch nach seinem Tod bestehen blieb, so dass die Wredow-Stiftung heute über ein nahezu vollständiges Konvolut der darin veröffentlichten Arbeiten vom 1. bis zum letzten Jahrgang (1886-1921) verfügt. | Wolfgang Rose